Die Suche nach dem Sinn des Lebens (auch als Lesung)mp3 (824 kb)

von Philipp Pulger


Neulich fragte mich ein Freund nach dem Sinn des Lebens. Ich erzählte ihm folgende Geschichte, wobei er mir aufmerksam zuhörte:

»Ein Mann ging in die Welt, um nach dem Sinn des Lebens zu suchen. Zu Hause ging es ihm gut. Er hatte einen krisensicheren Beruf, verdiente dabei nicht schlecht und lebte recht ordentlich. Aber, irgend etwas fehlte ihm. Er wusste nicht was, aber er ging in die Welt, um es zu suchen. Auf seinem Weg hörte er, wie sich zwei Fremde über den Sinn des Lebens unterhielten. Da wusste er, was er suchte: Den Sinn seines Lebens. Er begann, die Leute zu fragen: "Was ist der Sinn des Lebens" oder "Gibt es einen Ort, an dem ich den Sinn des Lebens finden kann?". Und obwohl viele Leute meinten, eine Antwort zu wissen, war er nie richtig zufrieden, mit dem, was sie ihm sagten.

Er wurde traurig, mit der Zeit verzweifelte er. Glücklicherweise traf er eine schöne junge Frau, die er heiratete, weil sie ihm versprach, beim Suchen zu helfen. Mit ihrer Hilfe, so glaubte er, würde er seinem Ziel näher kommen. Seine Frau hatte von einem Ort gehört, an dem es sehr leicht sei, den Sinn des Lebens zu erfahren. Dieser Ort hieß so ähnlich wie "Dingenskirchen", ich habe den Namen vergessen. Zusammen mit seiner Frau machte er sich auf den Weg nach Dingenskirchen, um dort den Sinn des Lebens zu finden.

Es war eine lange, beschwerliche Reise nach Dingenskirchen, vor allem, weil keiner so recht wusste, wo dieses Dingenskirchen genau zu finden war. Doch schließlich fanden der Mann und seine treue Frau einen alten, weisen Mann, der eine Tante hatte, die einen entfernten Verwandten hatte, dessen Halbschwester einmal in Dingenskirchen gewesen war. Der Mann und seine Frau fanden die Tante des weisen Mannes, die ihnen den Weg zu ihrem entfernten Verwandten beschreiben konnte. Als sie nach langem, beschwerlichem Weg bei diesem Verwandten ankamen, lag dieser gerade im Sterben. Im Todesdelirium umarmte er den Mann und seine junge Frau, fragte sie nach dem Sinn des Lebens und starb. Glücklicherweise hatte die Halbschwester den Tod ihres Halbbruders überlebt und konnte dem Mann und seiner schönen Frau den Weg nach Dingenskirchen beschreiben.

Als sie dort ankamen, wurde gerade die dreizehnte Meditationskapelle gebaut, in der die Pilger nach dem Sinn des Lebens meditierten. Der Mann und seine treue Frau schlossen sich einer Gruppe zur Bauchspeicheldrüsenmeditation an und meditierten nach dem Sinn des Lebens. Nun muss ich sagen, das Bauchspeicheldrüsenmeditation ziemlich öde ist, und der Mann und seine Frau waren nicht nur von ihr, sondern auch voneinander angeödet. So trennten sie sich und gingen dorthin, wo sie hergekommen waren. Man sagt, sie lebten glücklich bis an das Ende ihrer Tage.«

"Weißt du nun, was der Sinn des Lebens ist?" fragte ich meinen Freund. Dieser zögerte, und nachdem er noch ein wenig nachgedacht und gezögert hatte, sagte er "Nein." "Schade", sagte ich und aß einen Keks.

© Philipp Pulger


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